Kommt Ihnen irgendetwas von Folgendem bekannt vor?
…. einer Ihrer Haupt-/Großkunden führte ein Nachhaltigkeitsprogramm für Lieferanten ein und „ermutigte“ Sie unmissverständlich, Ihre Leistungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) transparent zu machen.
…. aktivistische Investoren reichten eine Aktionärsresolution zum Klimawandel gegen den größten Akteur Ihrer Branche ein.
…. Kreditinstitute, Fondsmanager und Versicherungsgesellschaften beginnen damit, Fragebögen zu Exposition und Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu versenden.
… sie hören Gerüchte aus der Personalabteilung, dass Mitarbeiter*innen nach dem Engagement des Unternehmens für die Umwelt und/oder soziale Belange fragen.
… sie können die Liste bestimmt ohne lange nachdenken zu müssen, um weitere Punkte ergänzen.
… und ist dass dann das Maßnahmenpaket, das so oder ähnlich auch bei Ihnen folgte oder als schnelles „Pflaster aus dem Notfallkoffer“ geholt wurde …
- Sie geben grünes Licht für einige Energieeffizienzverbesserungen, die möglichst kurze Amortisationszeiten haben sollen.
- Sie lassen Ihre Mitarbeiter ein freiwilliges „Green Team“ bilden und übergeben alles Weitere der Personalabteilung, die sich schon drum kümmern wird.
- Sie sagen Ihrem „Green Team“: „Halten Sie sich an die Vorschriften“; und das Team hat seinen Blick allein auf die einzuhaltenden Regularien gerichtet (“Compliance“).
- Sie fordern Ihr „Investor Relations“-Team auf, die Nachhaltigkeits-Scorecards der Investoren mit verfügbaren Daten auszufüllen (soweit vorhanden); ohne zu wissen, ob – wo – und wie diese Daten generiert werden und wie belastbar diese sind.
- Sie sagen Ihrem Vertriebsteam: „Beantworten Sie den Nachhaltigkeitsfragebogen des Kunden so gut Sie können, aber verbringen Sie nicht mehr Zeit damit als unbedingt nötig.“
- Sie stellen der PR-Abteilung ein Budget zur Verfügung, um eine „grüne Broschüre“ zu entwerfen, um diese dann irgendwie in die Unternehmenskommunikation integrieren zu lassen.
- Sie werfen ein wenig mehr Geld in die “Spendenkollekte“, so dass sich alle besser fühlen und wissen, was für ein verantwortungsbewusster Unternehmer sie sind.
In der Regel vergessen Unternehmer dabei oder wollen nicht sehen, dass …
- Investoren / institutionelle Anleger verstärkt die Korrelation zwischen Geschäftsrisiko und ESG-Themen – insbesondere Klimawandel – erkennen, analysieren und ihr Unternehmen und Geschäftsmodell dagegen benchmarken;
- Bewerber*innen / Mitarbeiter*innen zunehmend nach Arbeitgebern suchen, die ihren persönlichen Werten entsprechen und erkennbar eine an Interessengruppen ausgerichtete Wertschöpfung verfolgen;
- Kunden Nachhaltigkeitsziele für Lieferanten insbesondere in den Bereichen Verpackung, Energie, Wasser und Chemikalien entwickeln sowie ihre Lieferketten vor dem Hintergrund von ESG-Aspekten kritisch hinterfragen;
- Regulatoren in den USA, der Europäischen Union und Asien schon längst mit der Umsetzung verbindlicher Klimastandards begonnen haben und als Zugangsvoraussetzung zum jeweiligen Kapitalmarkt festschreiben.
Regionen auf der ganzen Welt, insbesondere in Asien und der Europäischen Union (Stichwort „Green Deal“), waren in der letzten Dekade damit beschäftigt, Gesetze und Vorschriften zur Verschärfung der ESG-Anforderungen für Unternehmen zu erlassen. Im Juli 2019 veröffentlichte die britische Regierung die Green Finance Strategy (GFS), die darauf abzielt, die Finanzströme des privaten Sektors auf ein sauberes, ökologisch nachhaltiges und widerstandsfähiges Wachstum auszurichten, um die Wettbewerbsfähigkeit des britischen Finanzsektors zu stärken. Im Jahr 2016 verschärfte Artikel 173 des französischen Energie-Übergangsgesetzes die obligatorischen Offenlegungspflichten für börsennotierte Unternehmen und führte die Kohlenstoffberichterstattung für institutionelle Investoren ein. Seit der Verabschiedung des britischen Kodex im Jahr 2010 haben viele asiatische Volkswirtschaften, darunter Japan, Hongkong, Singapur, Südkorea, Taiwan, Malaysia und Thailand, Stewardship-Kodizes und ähnliche Initiativen eingeführt, um verantwortungsbewusstere Investitionen institutioneller Anleger zu fördern. Ab Juli 2020 sind alle börsennotierten Unternehmen in Hongkong verpflichtet, eine Erklärung abzugeben, in der die Berücksichtigung von ESG-Risiken durch den Vorstand dargelegt wird. Die Börsen in Shanghai und Shenzen werden voraussichtlich bis Ende 2020 folgen. Anfang 2020 kündigte die China Securities Regulatory Commission (CSRC) Pläne an, börsennotierte Unternehmen zur Offenlegung von THG-Emissionen zu verpflichten. Im Juni 2020 nahmen die People’s Bank of China (PBoC), die China Securities & Regulatory Commission (CSRC) und die National Development & Reform Commission (NDRC) Änderungen an Chinas Richtlinien für den „grünen Anleihemarkt“ vor, die die Anforderungen an saubere und erneuerbare Energiequellen verschärfen. Die Zentralbanken der EU, Großbritanniens, Chinas, Hongkongs, Australiens, Thailands und anderer Länder haben ihre Absicht erklärt, von den teilnehmenden Unternehmen ESG-Offenlegungen und nachhaltigkeitsbezogene Kreditvergabeanforderungen zu verlangen und die Widerstandsfähigkeit der Banken, Versicherer und nationalen Finanzsysteme gegenüber klimabedingten Risiken in den Jahren 2020-2021 einer Belastungsprobe zu unterziehen („Sustainability Stress Test“).
Ob Sie international verkaufen oder international beschaffen, ob Sie ein privates oder börsennotiertes Unternehmen sind, Sie werden in unserer global vernetzten Welt davon betroffen sein. Wir leben in einer globalen Wirtschaft – kein Unternehmen ist eine Insel.
Wachen Sie auf und gestehen Sie sich als Unternehmer ein, dass „greenwashing Aktionismus“ im New Normal allein nicht mehr ausreicht!
Dem Ansatz „what is strategy?“ von Michael Porter aus 1996 folgend, in dem er zwischen operativer Effizienz und Strategie differenziert, kann ein ESG-Programm Effizienzsteigerungen und andere betriebliche Verbesserungen bringen – vielleicht sogar einige, die für das Überleben des Unternehmens notwendig sind – aber es wird die langfristige finanzielle Leistungskraft Ihres Unternehmens nur dann steigern, wenn es eine strategische Differenzierung von der Konkurrenz bietet. Das dieses Differenzierungspotential gegeben ist, zeigen gegenwärtig diverse Studien.
Hilfestellung / “3-Punktepapier“
Nachfolgende drei Orientierungspunkte haben sich in der Praxis als zielführendes und effektives Vorgehen bewährt, um sich ernst gemeint als Unternehmen in Richtung Sustainability zu transformieren.
I. Betroffenheitsanalyse
Beginnen Sie mit einer Wesentlichkeitsbewertung, um zu bestimmen, welche ESG-Themen in Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vorrangig behandelt werden sollen. Dabei sollten sie sich gemäß der gängigen nationalen wie internationalen Praxis am AA1000-Standard orientieren und ihr Vorgehen inhaltlich an den Leitlinien des GRI und SASB ausrichten. Eine robuste Materialitätsbewertung wird Ihr Fahrplan, roter Faden sein, welche Nachhaltigkeitsthemen zuerst angegangen werden müssen – und wie sie mit Blick auf ihre relevanten Interessengruppen („Stakeholder“) angegangen werden sollen.
II. Transformationsplan
Sie brauchen einen umfassenden Nachhaltigkeitsplan, der alles miteinander verbindet, der es Ihrem Team leicht macht, ihn gemeinsam, silo-übergreifend umzusetzen, und der auf dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung aufgebaut ist.
- Positionierungserklärung zur Nachhaltigkeit – prägnante Erklärung, wie Nachhaltigkeit in Ihr Geschäftsmodell, Ihr Marken- / Produktportfolio und Ihre Unternehmenskultur passt.
- Klarer Fahrplan
- Berücksichtigung agiler Projektmanagement-Methoden (z.B. SCRUM)
- Ziele, Vorgaben und Meilensteine
- “Quick-win“ Arbeitspakete identifizieren
- Nachhaltigkeits-KPIs
- Erwartungen an den Zeitplan und Ressourcenbedarf
- Empfehlungen zum Thema „Governance“
- Eindeutig festlegen, wer für die Überwachung von Nachhaltigkeit verantwortlich ist (RACI-Matrix)
- Konsistenz in den Nachhaltigkeitszielen
- Flexibilität für Marken/Produkte, Geschäftsbereiche und Regionen
III. Integriertes Denken
Um einen greifbaren Wert zu schaffen (und nicht nur eine „nice to have“-Politik), muss Ihre Nachhaltigkeitsstrategie vollständig in den Geschäftsbetrieb integriert, im Hinblick auf Investoren und Kundenerwartungen entwickelt und mit angemessenen Ressourcen für das Engagement der Mitarbeiter und die externe Kommunikation untermauert werden. Um Ihr Unternehmen zu stärken, muss die Nachhaltigkeitsstrategie in die Aufbau- und Ablauforganisation transferiert bzw. integriert werden. Nur so werden Sie einen tatsächlich gelebten Wandel in der Unternehmens-DNA herbeiführen.
- Aufbau- und Ablauforganisation / Unternehmensumfeld
- Wie ist das Unternehmen organisiert, und wie wird sich dies auf die Entwicklung und Anwendung einer Nachhaltigkeitsstrategie auswirken?
- Welche regionalen und globalen Nachhaltigkeitstrends werden das Unternehmen beeinflussen, und welcher Druck von außen wird die Erwartungen der relevanten Stakeholder beeinflussen?
- Erfolgsmessung
- Wie definiert das Unternehmen Nachhaltigkeit und wie wird es wissen, wann es dort angekommen ist?
- Welches sind die kleineren Ziele, die Meilensteine auf dem Weg zur Nachhaltigkeit darstellen?
- Strategie
- Welches sind die Strategien, die das Unternehmen, wie oben definiert, dem Erfolg näher bringen werden?
- Welche Elemente müssen vorhanden sein, um a) die Rechenschafts- und Berichtspflicht zu gewährleisten und b) sicherzustellen, dass die Maßnahmen auf Erfolgsfaktoren und Systemzwänge abgestimmt sind?
- Handlungsrahmen
- Welche spezifischen Aktivitäten sollte jeder Unternehmensbereich, jede Niederlassung bzw. jede Geschäftseinheit verfolgen, um die Nachhaltigkeit zu unterstützen?
- Wie unterstützt jede Aktion eine der oben genannten Strategien?
- Fähigkeiten
- Welche technologischen, personellen und finanziellen Ressourcen sollten auf Unternehmensebene zur Verfügung gestellt werden?
- Wie werden Daten/Initiativen im Laufe der Zeit nachverfolgt und kommuniziert?
Sich hinzulegen und abzuwarten bis der „Hype“ vorbei ist, ist keine Option – Sustainability ist kein Hype sondern ein epochaler Evolutionsschritt im globalen Selbstverständnis der Wirtschaft! Wachen Sie auf!

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